stängel einer pflanze, grün,der herz formt

„Selbstbestimmt-bestimmt!“ Symposium in Weimar // FREI SPIELEN – FREI SICH BILDEN – FREI SEIN

SHORTCUTS – „Es menschelte“ in Weimar

-Ein Versuch der Rekonstruktion subjektiv Erlebtem und Sammlung meiner daraus noch immer bewegten Gedanken-

Gordian Troellers 33.Film aus der Reihe „Kinder der Welt“ wurde nach herzlich empfangenden Worten Sarah Pohls freitag abends zu Beginn gezeigt, und legte so den Grundstein meiner Stimmung. Offen, weich empfangend, sowie voll von zärtlichem Gefühl, aber auch das in mich hineingefahrene, welches erschütterte und rüttelte, das Fragen und Sorgen weckte.

Hierzu—> „die Beschulung von Menschen führt geradezu zu einem Leugnen der Kultur, denn wir produzieren Menschen, die kaum noch einen Bezug zu ihrer Kultur haben.“ (Bertrand Stern im MDR Interview vor einer Woche)

Troeller ging es in diesem Film um „sogenannte Hilfeleistungen“ in Drittländern, bestimmt durch westliches Kulturdenken, wirtschaftliche Interessen westlicher Personen und Institutionen, – welch einen geradezu erheblichen Schaden diese anrichten! Dass viele der heute praktizierten „Hilfeleistungen“ nichts anderes sind, als die Nichtachtung anderer Kulturen, ein Überstülpen der westlichen Konventionen und Denkweisen, deren „gemeiner“ Vorstellungen von schulischer Bildung (in Form des „Nürnberger Trichters“,  sich beziehend auf Thomas Mohrs Einblicke in Lernstrukturen des menschlichen Gehirns)
Hier behält der Filmemacher im Schnitt einen sehr markanten Rhythmus, in Form prompter Wechselfolge der Bilder, welche wirken. Ich empfand dieses als ein unablässiges Engen und Weiten.

Weit und freudig, beinah beglückt durften wir das Heile/ das Gesunde in Momentaufnahmen beschauen, das freie Spiel der jungen Menschen beobachten, die Stärke der Frauen (dem ungebrochenen Geschlecht, so Troeller) bewundern, welche aus der Not heraus Unglaubliches schaffen, gerade dort, wo die „Hilfe“ (in Form von Fremdbestimmung von Aussen) fehlt oder sie sich dieser erwehren können.
(—>Die Fähigkeit zur „Resilienz“ unter extremsten Bedingungen, dort wo Bindung noch nicht verloren ist, dort wo es mindestens einen gibt, dem etwas an uns liegt, uns sicher und geborgen fühlen lässt)

Eng und bedrückend, bei Bildern der übervollen Hütten, in welchen Männer aufrecht mit Rohrstöcken vor einer unheimlich stillen, gebückten Kinderschar auf und ab marschierten: die Angst und der Zwang allgegenwärtig eingefangen, sowie das hilflose Wirken junger Männer, welche ausserhalb der Bindungsdreiecke stehen, sich der eignen Selbstwirksamkeit innerhalb ihrer Leben entzogen fühlen, ihnen die Mittel um rituell Bindung zu beschliessen, in Form eines Heiratsfestes, fehlen.

stängel einer pflanze, grün,der herz formt

Gordian Troeller versteht es, den Menschen aufzuzeichnen und zu portraitieren, in seiner Würde und Ganzheit, seinem Spiel, seiner Freude, seinem Schmerz und seiner Trauer, seinem Mitgefühl und seiner Fürsorge.
Den Menschen in uns allen, überall auf der Welt und wie wenig uns allen Bildung in schulischer/institutioneller Form gerecht wird/gerecht werden kann.
So radikal uns seine Bilder überfielen und erschreckten, so war ich doch dankbar, durch seine Augen sehen zu dürfen, zu was der Mensch im Stande ist, – wie flexibel und komplex er ist, welch einen Gestaltungswillen, eine unbändige Neugier er in sich trägt:
Der Mensch formt sein Umfeld, seine Umgebung und dazu braucht er – und dies ist uns allen ebenso gemein – bedingungslose Liebe, Annahme, einen sicheren Hafen, – ein Einatmen in Form von hier darf er sein, – so wie er ist.

(——>hier zur Komplexität des Menschen ein schönes Beispiel Herbert Renz Polsters (vergangenes Wochenendes in Freiburg): Was macht die Katze in 500 Jahren? – Die Katze sitzt vorm Mauseloch und wartet auf die Maus. Und der Mensch? – … – Ja eben!)

Der Mensch lernt natürlicherweise überall auf der Welt, das was ihm sein Überleben sichert, das, was für ihn, in seiner Umgebung notwendig, nützlich ist, Sinn ergibt für sich selbst und auch als Glied seines erwählten Miteinanders.
So beispielsweise erlebt der Säugling im Mutterleib schon eine Geschmackspalette vom Feinsten, von dem was sich seine Mutter zuführt, was bei ihr zulande um sie herum verfügbar ist und ist hierauf nach der Geburt eingestimmt. „Es gab Versuche mit Vanilleextrakt, die in das Fruchtwasser gespritzt wurden, – und später fuhren diese kleinen Menschen unglaublich auf Vanille ab.“ (Herbert Renz Polster).

„Menschsein erfahren wir hingegen von Menschen, welche sich menschlich verhalten.“ (Lienhard Valentin) Wie wahnsinnig ist es, zu glauben, jenes, welches für mich hier passt, passe ebenso gut für Menschen auf der anderen Seite der Erde(/ oder im Nachbarhaus)? Und wenn es noch nicht einmal für mich zu „passen“ scheint?
Mir nicht „gut“ tat. Wie sehr dies eine Entfremdung von ursprünglichsten Bindungs- und Gestaltungsqualitäten, die ein jeder Mensch inne hat, welches unser Überleben sichernden Säulen sind, ist uns hierbei noch einmal eindrücklich vorgeführt worden.

Zu evolutionsbedingten, geschichtlichen und neurobiologischen Thesen:

Der ethische Wert dessen, was nun Natürlichkeit, Ursprüngliches, Messbares, neues Wissen für uns heute bedeuten kann, umarmt für mich die Möglichkeit einer groben Orientierung, einer vagen Landkarte, und ganz und gar nicht einen allgemeinen Aufruf wie „Back to the roots“, mehr eine Erinnerung an das dem Menschen eigene, seine unglaubliche Flexibilität, seine komplexen Prozesse. Also kommt dies für mich als eine Vielfalt von möglichen Annährungswegen daher.
Der Mensch formt und wirkt, wo er geht und steht. So wie er Teile des gesamten Kontinents besiedeln und sich dementsprechend an die Lebensbedingungen „anpassen“ konnte, können das ausser ihm bloß Bakterien (H. Renz-Polster) Und: Er verbindet sich. Diese beiden Urbedürfnisse sind uns allen gemein.
Und noch eines, – das eine bedingt das andere. Ich kann nur wachsen, wenn ich sicher bin. Der Mensch kann nicht selbstwirksam sein, spielt nicht, findet nicht ins Forschen und Entdecken, hat er keinen sicheren Hafen, zu dem er zurück kann, – stretcht sich gewagt das Bindungsband-
Wenn Alice Miller Hitlers „Kindheit“ nachfühlt, so wird auch er zum Menschen und dadurch annehmbar.
Wenn ich weiss, dass die Region für Empathie im Hirn messbar ist, dass es dort bei manchen Menschen sichtbar große Löcher gibt, die wenig, bis keine bedingungslose Liebe erlebt haben, aber auch weiss, dass diese Löcher sich füllen können, dass die Amygdala an Größe zunehmen kann, während mein Hypothalamus schrumpft, dies aber auch bis ins hohe Alter umgekehrt werden kann, durch Kultivierung des Positiven – so gibt mir dies Zuversicht, Hoffnung, Mut zum Wachsen, zur Veränderung. Ist mir liebe Ressource.
Wenn ich etwas nicht erfassen, nicht nachempfinden kann, gehe ich einen Schritt zurück. Die Geschichte lässt uns überlegen, dass alles seinen Ursprung hat, seinen Boden, auf dem es gewachsen ist. Wenn ich nun den für die Menschheitsgeschichte recht kurzen Sprung vom Feudalisten zum Konsumenten ansehe, so sind noch immer die „Leibeigenen“ vorhanden, die Ausbeutung von Natur und Mensch und trotz allem erscheint es mir möglicher denn je, aus der Struktur des Gehorsams auszubrechen.
Indem wir selbst gesunden wollen. Unsere Pflicht für die Gesundung unserer Nächsten anzunehmen und hier Raum für SEIN, für LEBEN schaffen. (Kastenbeispiel der Institution hingegen zum Leben selbst als großes, weites, ungerahmtes mit dem Bindungsband als Vernetzung ) „An was orientieren wir uns? -Am Menschen, oder an der Norm?“ (Franziska Klinkigt)
Wenn in einem Hierachiegebilde, verwirrt wie heute und klarer zu Zeiten des Feudalismus oder zu Zeiten des Ausbruches der Landwirtschaft, die „Habenden“ (Tauschmittel, WISSEN) noch immer die Nicht-habenden fürchten, die Einen die Anderen, so ist nachempfindbar, weshalb all jenes „Aufbegehren“ innerhalb dieser besonderen Phase, in welcher das Recht auf Selbstbestimmung besonders laut in der Brust eines jeden klopft (unsere Zeit zwischen dem 13 und 19. menschlichen Lebensjahres, ich vermeide bewusst das Wort „Pubertät“) so vehement zu „regulieren“ versucht wird. Es würde „unbequem“ werden.
In dieser Phase ist der Drang nach Selbstwirksamkeit, nach Vernetzung, Austausch, Gestalten, auch die Risikobereitschaft besonders stark. Die Welt veränderte sich maßgeblich im Rückblick durch den Aufstand der „Jugendlichen“, von ihnen gingen alle großen Revolutionen aus, auch Columbus und seine Flotte waren „irre“ Jugendliche (nicht unbedingt das positivste Beispiel von Herbert Renz Polster). Bei Jägern und Sammlern, waren sie diejenigen, die für Vernetzung mit anderen Gruppen verantwortlich waren, sie schauten seit jeher über den Horizont. „Ich wollte mit 13 die Wale retten, – aber musste leider Hausaufgaben machen.“ „ Ich sehnte mich nach einem wahren Freund, stattdessen takelte ich mich auf und sparte für Miss-Sixtyjeans, erfand Geschichten mit Jungs“ (übrigens, die heutige Überlebensstrategie der Mädchen innerhalb unserer Kulturkreise: – das „Hübschsein“)

Sicherheit

Den schützenden Raum innerhalb des Symposiumverlaufes bildeten für mich Franziska und Betrand. Ich erlebte Franziska als sanftmütige Hülle für all jene, welche sich unverstanden fühlten, fühlte sie noch einmal nach und brachte BEDÜRFNIS, Anliegen zum Vorschein, übersetzte, nahm an, ging in den Dialog, in Kommunikation und dies auf unglaublich liebevolle und umsorgende Weise.

Ergänzend hierzu Bertrand, der euphorisch auf und ab hüpfte, jedes mal, wenn die Wörter „Kindheit“ , „Kindeswohl/gefährdung“, „Homeschooling“, „Freilernen“, „Sozialisation“ (…) fielen, wie er nach vorn stürzte, es kaum ein Halten gab, nicht minder umsorgend und helfende Hand, aber treibende Kraft, die mitriss und „vor den Latz“ knallte. Im Sinne von „So Schluss aus und jetzt gehts los.“ Jener, der Funken sprühte.

„Was ist mit den Kindern aus bildungsfernen Schichten?“,

– dies eine Frage, nebst der nach Sozialisierung junger sich selbst frei bildender Menschen, die mich vielerseits erreicht. Ich formuliere um in „Was geschieht mit jungen Menschen aus bindungsarmem Umfeld?“, denn, so glaube ich, ist dies eher die aus der Sorge heraus resultierende passendere Frage. Hier kommt Otto Herz, Reformer und ganz Mensch, ins Spiel, welcher mit wackelnden Ohren, so empfand ich es, vor mir im Symposiumspublikum saß und mich mit seiner Rede, seinem Dasein sehr berührte.
Denn hier sprach Mensch mit Herz. Den Ort, welchen er „Schule“ nennt und welchen er kurz beschrieb, ist genau dieses, was mir Johanna heute mit ihrem gefundenen Begriff „Haus der Würde“ meinte; ein Ort des „Willkommens“ für junge, „bindungsarme“ Menschen, welchen der „sichere Hafen“ fehlt. Und den braucht es (noch)! Einen Raum wie Astrid Lindgrens illustriertes Paradies „Sonnenau“, darinnen empfangend die „Mutter aller Kinder“(Metapher Astrid Lindgrens), hier dürfen junge Menschen sein und spielen.

Zeichnung/illustration der Geschichte astrid Lindgrens "sonnenau"

Fällt die Schulpflicht, macht dies „Institution“ zur „Einrichtung“, zum Dienstleister aller Menschen und muss/darf sich infolgedessen verändern. Sowie Ärzte in manchen östlichen Ländern, danach bezahlt werden, wie „gut“ es ihren Patienten geht, nicht danach wie „schlecht“. Somit meine positive Zukunftsprognose:

Ich glaube, dass sich „Schule“ hierdurch verändern WIRD. Dadurch, dass Sicherheit durch Liebe und freie Entfaltung wieder einem jeden, peu a peu, gegeben sein wird. Dass Jugend nicht mehr „trichtern“ will.

Ein riesengroßes Dankeschön an alle Referenten und Referentinnen, sowie der ausserordentlichen Veranstaltungskunst Sarah Pohls und Jutta Luhns, deren aller mutige Herzen, welche für Veränderung schlagen!

-Sarah Pohls tiefgreifender Vortrag vom Malspiel ausgehend, über die Räumlichkeit des Malorts hinweg war mir im übrigen auch ein ganz besonderer Schatz, aber mehr fühlig erinnert, so freue ich mich insbesondere auf ihr Skript um die gesäten Samen zu giessen.-

Mona Hahn

Ungefährer Wort oder Sinnlaut – MERK AUF –

Mother to a young boy „Please leave me alone don´t ask so many questions.“
Boy „- wait a minute, – its my job!“ (Alan Thomas)

„Wo kommt die Milch her?“ – „Ausm Aldi“
„Wo kriegen wir Bildung her?“ – „Aus der Schule“ (Bertrand Stern)

„Wozu gibt es einen Spielplatz im Wald? Wenn doch da der Wald ist?“ (Sarah Pohl)

„Im Papier sein“ (Sarah Pohl)

„Hinter dem was uns stört, dem Unperfekten, dem Verhalten liegt immer das Bedürfnis,-das eigene, das des anderen, auch das für uns nicht Funktionale können wir annehmen, sehen wir Bedürfnis und nicht das Verhalten“(Franziska Klinkigt)

„Kommunikation ist alles.“(Franziska Klinkigt)

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